Anwendung des Zusatzkollektivvertrag zur Saisonverlängerung im Gastgewerbe

 

Seit Jahren sieht sich die Fremdenverkehrswirtschaft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass viele ihrer Mitarbeiter durch die strukturell bedingte Saisonbeschäftigung Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung stellen. Deshalb hatte die Regierung im Rahmen der Sparmaßnahmen ins Auge gefasst, eine vierwöchige Wartefrist für das Arbeitslosengeld einzuführen. Aufgrund der massiven Gegenwehr der Sozialpartner wurde die vierwöchige Wartefrist fallen gelassen, aber eine Verordnungsermächtigung beschlossen, die dazu führen kann, eine Wartefrist auf das Arbeitslosengeld für 2 Wochen einzuführen, wenn das Sparziel nicht erreicht wird. Um zu vermeiden, dass von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht wird, kamen die beiden Sozialpartner überein, einen Zusatzkollektivvertrag für das Gastgewerbe abzuschließen, der eine Saisonarbeitsverlängerung um 2 Wochen zum Ziel hat.

Einziges Ziel dieses Kollektivvertrages ist daher die Verhinderung einer für die gesamte Tourismusbranche sehr nachteiligen Maßnahme des Gesetzgebers.
Zur Erreichung dieses wichtigen Zieles mussten die Sozialpartner bei Abschluss des Kollektivvertrages in Kauf nehmen, dass diese Vereinbarung im Kontext des arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenrechtes schwer lösbare offene Fragen aufwirft.

Der folgende Kommentar soll einerseits auf solche Fragen eine Antwort geben und andererseits die Umsetzbarkeit der Vereinbarung in der betrieblichen Praxis sicherstellen. Obwohl der Text unter Beiziehung von arbeitsrechtlichen Experten erstellt und die wesentlichsten Punkte mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger akkordiert wurden, kann aber aufgrund der Kompliziertheit der Materie dennoch nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die gerichtliche Praxis in Detailfragen u.U eine andere Auffassung vertritt.

Wie wird die Verlängerung erreicht?

Die Verlängerung der Saisonarbeitsverhältnisse wird einerseits dadurch erreicht, dass diese durch Heranziehen von einem Drittel der am Ende des Durchrechnungszeitraumes bestehenden Überstunden, höchstens jedoch 40 Überstunden, um maximal eine Woche verlängert werden. Andererseits wird das Dienstverhältnis durch einen am Ende des Arbeitsverhältnisses zu verbrauchenden Teil des im laufenden Urlaubsjahr erworbenen Urlaubsanspruchs, wobei dieser Teil die Hälfte des Urlaubsanspruchs, höchstens aber 7 Werktage zu betragen hat, verlängert.

Wie sieht die inhaltliche Regelung genau aus?

1. Überstundenregelung:

Zur Verlängerung von Saisonarbeitsverhältnissen um maximal 1 Woche ist ein Drittel der am Ende des Durchrechnungszeitraumes bestehenden Überstunden - höchstens jedoch 40 - heranzuziehen. Die darüber hinaus bestehenden Überstunden sind mit einem Zuschlag von 50% auszubezahlen. Wurden keine Überstunden geleistet, kommt es zu keiner Verlängerung und wurden die Überstunden der vorhergehenden Monate bereits ausbezahlt, ist für die Durchrechnung nur der letzte Monat der Beschäftigung heranzuziehen. Der letzte Monat kann auch ein Rumpfmonat sein.

Beispiel:

Ergeben sich bei Saisonschluss (= Ende des Durchrechnungszeitraumes) abzüglich bereits abgegoltener Überstunden noch 48 bestehende (= unabgegoltene) Überstunden, ist hievon ein Drittel, das sind 16 Überstunden, zur Ausweitung des Saisonarbeitsverhältnisses im Sinne des Zusatzkollektivvertrages heranzuziehen und verlängert sich demnach das Saisonarbeitsverhältnis arbeitsrechtlich um 2 Tage (8 Überstunden entsprechen einem Tag; Teile von Tagen bleiben nach Rechtsansicht der gastgwerblichen Fachverbände außer Betracht).

Was ist bei der Verlängerung durch Überstunden noch zu beachten?

Wurde mit einem Mitarbeiter ein Überstundenpauschale vereinbart, so hat dieser arbeitsrechtlich einen Rechtsanspruch darauf, unabhängig davon, ob er diese Überstunden leistet oder nicht. Aufgrund des erwähnten Rechtsanspruches ist das volle (aliquote) Überstundenpauschale im Beendigungsmonat zusätzlich zu dem aufgrund des Zusatzkollektivvertrages zur Ausweitung des Saisonarbeitsverhältnisses herangezogenen Drittel der Überstunden auszubezahlen. Wird das Überstundenpauschale rechtzeitig, d.h. zumindest einen Monat vor Beschäftigungsende, widerrufen und werden im letzten Abrechnungsmonat die tatsächlich geleisteten Überstunden abgegolten, können die Überstunden im Austrittsmonat um die herangezogenen Überstunden zur Saisonausweitung gekürzt werden. Das Überstundenpauschale kann jedoch nur widerrufen werden, wenn es ausdrücklich (z. B. im Arbeitsvertrag) unter Vorbehalt des Widerrufs vereinbart wurde.

2. Urlaubsregelung

Arbeitsverhältnisse in Saisonbetrieben sind - neben den Überstunden - durch einen am Ende des Arbeitsverhältnisses zu verbrauchenden Teil des im laufenden Urlaubsjahr erworbenen Urlaubsanspruchs zu verlängern, wobei dieser Teil die Hälfte des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers, höchstens aber 7 Werktage zu betragen hat.

Dies bedeutet, dass während der Saison nicht der gesamte Urlaub konsumiert werden darf. Der Arbeitnehmer muss die Hälfte seines Urlaubs - höchstens jedoch 7 Tage - bis zum Schluss aufheben und dann erst verbrauchen. Die Hälfte des gebührenden Urlaubs (höchstens jedoch 7 Tage) ist sohin zur Verlängerung heranzuziehen, unabhängig davon, ob Urlaub auf Wunsch des Arbeitnehmers gewährt wurde.

Beispiel:

Ergibt sich am Ende des Arbeitsverhältnisses ein unverbrauchter Urlaubsanspruch von 8 Werktagen, sind 4 Werktage im Sinne des Zusatzkollektivvertrages heranzuziehen und ist das Arbeitsverhältnis um 4 Werktage (wöchentliche Ruhetage bzw. Feiertage sind zu berücksichtigen) arbeitsrechtlich zu verlängern. Die restlichen 4 Urlaubstage sind als aliquote Urlaubsersatzleistung abzugelten.

Bei der Berechnung des im laufenden Urlaubsjahr erworbenen Urlaubsanspruchs ist eine entsprechende kaufmännische Rundung vorzunehmen. Dasselbe gilt für die Teilung einer sich ergebenden ungeraden Zahl an Urlaubstagen (z.B. 7). Aufgrund der Rundung ist der entsprechend größere Teil (4 Urlaubstage) zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses heranzuziehen, der kleinere Teil (3 Urlaubstage) sind als aliquote Urlaubsersatzleistung abzugelten.

Bei Umsetzung dieser saisonverlängernden Maßnahmen gilt außerdem folgendes zu beachten:

Das Dienstverhältnis endet erst nach den entsprechenden Verlängerungszeiten. Daher sollte bei der Festlegung des Endtermins des Dienstverhältnisses (entweder bei der Befristung oder bei der Kündigung des unbefristeten Dienstverhältnisses) die Zeit der Saisonverlängerung berücksichtigt werden.

Durch die Arbeitszeitdurchrechnung in der Verlängerungswoche fallen für diese Stunden keine Überstundenzuschläge an. Allerdings ergeben sich aus der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses Verpflichtungen zur aliquoten Bezahlung von Jahresremuneration sowie von Ersatzleistung nach dem Urlaubsgesetz. Wenn die zweimonatige Wartefrist für die Jahresremuneration überschritten ist, gebührt für jede zusätzliche volle Beschäftigungswoche ein 52stel der Jahresremuneration. Ähnlich liegt der Fall beim Urlaub, wo für eine Saisonverlängerung von mehr als 6 Tagen ein zusätzlicher Urlaubstag oder eine entsprechende Ersatzleistung zusteht.

Auf welche Arbeitsverhältnisse ist der Zusatzkollektivvertrag anzuwenden?

Der Zusatzkollektivvertrag kommt nur zur Ausweitung von Saisonarbeitsverhältnissen in Saisonbetrieben zur Anwendung. Als Saisonbetriebe gelten Betriebe, die ihrer Art nach zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten.

Keine Anwendung findet der Zusatzkollektivvertrag auf Arbeitsverhältnisse, die durch unbegründeten vorzeitigen Austritt bzw. durch berechtigte Entlassung enden. Zu keiner Saisonverlängerung kommt es außerdem bei Dienstnehmerkündigung. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Zusatzkollektivvertragsregelung nicht dahingehend umgangen wird; geschlossene Kündigungen durch die Dienstnehmer vor Ende der Saison deuten auf eine Umgehung hin und werden von den Krankenversicherungsträgern nicht akzeptiert.
Der Zusatzkollektivvertrag findet Anwendung, wenn ein Arbeitsverhältnis aufgrund saisonaler Umsatzrückgänge durch Dienstgeberkündigung, einvernehmlicher Lösung oder Zeitablauf beendet wird. Auch wenn der Betrieb mit dem verminderten Personalstand weitergeführt wird. Wenn der Dienstgeber das Arbeitsverhältnis nachweislich aus Gründen, die in der Person des Mitarbeiters liegen, aufkündigt und dieser Arbeitsplatz nachbesetzt wird, findet der Zusatzkollektivvertrag keine Anwendung.

Reihung "Durchrechnung der Arbeitszeit" und "Anhängen von Urlaub"

Hinsichtlich der Reihung "Durchrechnung der Arbeitszeit" und "Anhängen von Urlaub" haben die Kollektivvertragsparteien keine Regelung getroffen. Die Reihung ist somit Vereinbarungssache. Erkrankt der Arbeitnehmer während der Verlängerung des Dienstverhälnisses durch Urlaubsverbrauch und dauert die Erkrankung länger als 3 Kalendertage, so werden gemäß § 5 Urlaubsgesetz die Tage der Erkrankung auf das Urlaubsausmaß nicht angerechnet. Da aber das Dienstverhältnis nach den saisonverlängernden Maßnahmen endet, kann der restliche Urlaub nicht zu einem späteren Zeitpunkt des Dienstverhältnisses verbraucht werden. In einem solchen Fall muss der restliche Urlaub in Geld abgegolten werden.

Beschäftigungsbewilligung

Da das Saisonarbeitsverhältnis erst nach den entsprechenden Verlängerungszeiten endet, sollte generell bei der Festlegung des Endtermins (entweder bei der Befristung oder bei der Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses) die Zeit der Saisonverlängerung mitberücksichtigt werden, so auch bei der Beantragung einer Beschäftigungsbewilligung. Das Ausmaß des Urlaubsanspruchs steht grundsätzlich bereits ab Beginn des Dienstverhältnisses fest, eine Prognose über die zu erwartenden Überstunden erübrigt sich, da der Zusatzkollektivvertrag für die Saisonverlängerung höchstens 40 Stunden vorsieht. Das Dienstverhältnis dauert eben grundsätzlich von vornherein entsprechend länger. Die Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligung nach § 9 Fremdengesetz darf 6 Monate nicht überschreiten. Außerdem darf sie nicht nach dem in der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit zur Festsetzung des Saisonkontingentes festgelegten Termin enden. Es wird daher empfohlen, die Beschäftigungsbewilligung für den längstmöglichen bzw. notwendigen Zeitraum zu beantragen. Endet die Saison früher, so können die saisonverlängernden Maßnahmen des Zusatzkollektivvertrages problemlos auch auf Arbeitsverhältnisse mit Beschäftigungsbewilligungen angewendet werden. Dauert jedoch die Saison länger an und wird der Arbeitnehmer den gesamten Zeitraum der Beschäftigungsbewilligung hindurch beschäftigt, kommen die Bestimmungen des Zusatzkollektivvertrages aufgrund der Befristung der Beschäftigungsbewilligung nicht zum Tragen. Noch vorhandene Urlaubstage bzw. Überstunden müssen natürlich abgegolten werden.

Dr. Thomas Wolf
FV Gastronomie

Mag. Christian Kolbl
FV Hotellerie

Fachverband Hotellerie/Susanne Karabiberoff
© Letzte Aktualisierung: 14.3.2002